Aufstellungen mit dem ‚Beziehungswesen‘

Das ‚Beziehungswesen‘ in eine Paaraufstellung mit hineinzustellen, ist eine hilfreiche Intervention, um herauszufinden, wie es in der Beziehung eines Paares insgesamt aussieht.

  • Ist die Beziehung noch zu retten?
  • Fließt überhaupt Liebe zwischen den Partnern? Wenn ja, auch von beiden?
  • Sind die derzeitigen Probleme nur Ablenkungen von tieferen Themen?
  • Werden ‚Spiele‘ veranstaltet, um sich ‚Streicheleinheiten‘ abzuholen und wenn ja, wieso?
  • Werden ‚Dramen‘ veranstaltet, weil es langweilig geworden ist?
  • Wird einer Hollywood-Liebe nachgeeifert und dabei die wunderbare Mann-Frau-Realität ausgeblendet?
  • Ist trotz heftigster Streitereien nach außen innen drin die Liebe noch intakt?

Wie du siehst, ist das Beziehungswesen als Essenz der Liebe beider Partner ein sehr guter Indikator, welche Kräfte in der Beziehung insgesamt wirken.

 

Ganz praktisch wählen beide Partner gemeinsam eine/n Stellvertreter/in für das Beziehungswesen aus.

Allein schon die Auswahl dieses/r Stellvertreters/in kann schon viel über den Zustand des Paares aufzeigen:

  • Kann man sich schnell auf eine/n Stellvertreter/in einigen?
  • Gibt es Diskussionen darüber, ob das Beziehungswesen von einem Mann oder einer Frau dargestellt wird?
  • Wird ein/e junge/r oder ältere/r Stellvertreter/in für das Beziehungswesen gewählt?
  • usw.

Abschließend muss auch der Aufstellungsleiter darauf achten, dass der/die Stellvertreter/in die Rolle auch wirklich ausfüllen kann, denn seine/ihre Aussagen bekommen bei diesem Aufstellungs-Setting besonderes Gewicht.

Hierbei ist besonders auf Resonanzen zu achten.

 

Fall: Jean & Claudine

Jean und Claudine sind beide Anfang 40. Sie sind seit mehr als 12 Jahren zusammen. Jean beklagt sich darüber, dass sie nur noch wenig Sex haben, Claudine darüber, dass ihr Partner sich nicht verändern will (beide Themen nahezu ‚klassisch‘).

Ich erkläre ihnen, wie eine Aufstellung mit dem Beziehungswesen funktioniert.

Sie wählen nach einigem Hin und Her eine junge Frau als Stellvertreterin für das Beziehungswesen.

Ich überprüfe für mich nochmals energetisch, ob diese Wahl ihnen entspricht, kann aber kein ‚Nein‘ erspüren.

Wir stellen die beiden mit Stellvertretern und das Beziehungswesen auf.

Zuerst führt jeder Partner seinen Stellvertreter an seinen Platz.

Dann stellt Claudine das Beziehungswesen auf und gibt ihm Energie.

Jetzt tritt Jean hinzu, verändert noch einmal leicht die Ausrichtung und gibt ebenfalls Energie (das kann auch gleichzeitig geschehen, z. B. Energie über linke Schulter von der Frau, über rechte Schulter vom Mann).

J&C 1

Abbildung: Anfangsbild

(J=Jean, C=Claudine, BW=Beziehungswesen)

Obwohl sich Jean und Claudine relativ konfrontativ gegenüberstehen, lächelt das Beziehungswesen beiden aufmunternd zu.

Es ist dabei etwas näher bei Jean und auch etwas mehr ihm von der Körperhaltung zugeneigt.

Claudine wippt etwas genervt auf und ab, ist aber auch sehr aufmerksam.

Jean hat ein leicht verträumtes Gesicht.

Die Stellvertreter der beiden bestätigen die ihnen anzusehenden Gefühle.

So frage ich gleich das Beziehungswesen.

L=Leiter, J=Jean, C=Claudine, BW=Beziehungswesen

L: Wie geht es dem Beziehungswesen?

BW: Gut. Ich fühle mich etwas von Claudine übergangen, nehme es ihr aber nicht krumm. Mit Jean stehe ich gut.

L: Fließt Liebe zwischen den beiden?

BW: Ja. Ganz fein und subtil. Keine hoch aufwallenden Gefühle. Eher wie ein ruhiger, gemächlicher Fluss.

L (zu C): Kannst du mit den Aussagen des Beziehungswesens etwas anfangen?

C: Ja, schon, aber darum geht es doch gar nicht. Er will sich partout nicht verändern …

L: Warte mal, wir machen hier kein Change Management, sondern eine Paaraufstellung, wo es hauptsächlich erst einmal um Liebe geht.

C: Klar, aber …

L: Darf ich dich einladen, mal der Liebe nachzuspüren …?

C: OK.

L: Schau mal zu Jean, schau mal zum Beziehungswesen. Jetzt gerade geht es um Liebe. Fühl da mal rein …

C hat aufgehört, mit den Füßen zu wippen. Ihr Blick wird weicher.

L: Genau. Jetzt kannst du es auch wieder spüren …

C: Ja …

L: Bleib mal bei diesem Gefühl, während ich mich Jean zuwende.

L (zu J): Was ist bei dir?

J: Ich habe Sehnsucht.

L: Nach wem?

J: Claudine!

L: Mmmh … Wie alt fühlst du dich gerade?

J: Was? Äh … ich weiß nicht … jünger … vielleicht 30 Jahre?

L: Du weißt aber, dass du jetzt gerade Anfang 40 bist, oder?

J: Njein… ich meine, ich fühle mich nicht so.

L: Schau mal zu Claudine, sie ist 41 Jahre und du bist 42.

J: Ja?

L (und C gleichzeitig): Ja!

J: OK!

L: Jean, es ist wichtig für eure Beziehung, dass du ganz da bist.

J: Ja.

L (zu C): Mach das nochmals wie vorhin, als du so mit den Füßen gewippt hast und dich größer gemacht hast.

C macht es.

L (zu J): Wie fühlst du dich, wenn Claudine das macht?

J: Klein. Nicht für voll genommen.

L (zu C): Kannst du zu Jean sagen: du bist ein gleichwertiger Partner!

C: Du bist … nein, es stimmt nicht. Ich fühle mich überlegen.

L: Was meint das Beziehungswesen dazu?

BW: Wenn Claudine das sagt, ziehe ich mich zurück. Dann wird mir ganz eng.

L (zu J): Wie geht es dir, wenn du das hörst?

J: Ich bin etwas ärgerlich und auch traurig.

L: Das war sehr nett gesagt … Spür mal richtig hin.

J: OK, ich bin ziemlich sauer. (zu C) Du bist nicht meine Mutter!

C: Dann werd‘ endlich erwachsen!

J: Ich bin erwachsen, aber ich versuche auch, unsere Liebe zu bewahren.

(Das BW geht näher zu J)

L (zu J): Wenn du, nur um die Beziehung zu erhalten, zu viele Kompromisse machst und dich verlierst, wirst du auf jeden Fall Claudines Achtung und langfristig die Beziehung verlieren.

L: Sag ihr mal: Ich stehe als erwachsener Mann für mich UND unsere Beziehung ein!

Er sagt es.

L: Wie wirkt das auf dich, Claudine?

C: Gut. Sexy. Ich fühle mich nicht mehr überlegen.

L: OK. Folgt jetzt mal ohne Worte euren Bewegungsimpulsen.

C und J bewegen sich langsam aufeinander zu. Das BW lächelt dabei. C und J umarmen sich und bilden dann spontan mit dem BW einen kleinen Kreis.

L: Ich lasse es hier stehen.

J&C 2

Abbildung: Endbild

(J=Jean, C=Claudine, BW=Beziehungswesen)

Wir beenden die Aufstellung. In der Nachbesprechung gebe ich den beiden noch ein paar Eindrücke mit auf den Weg:

Es hat sich gezeigt, dass Claudine fast in eine Mutterrolle gegenüber Jean geraten ist und sie sich damit ihm überlegen gefühlt hat.

Bei der gefühlten Konstellation Mutter zu Sohn statt Frau zu Mann lässt fast immer die sexuelle Spannung nach (worunter Jean sehr litt).

Claudines Wille, Jean verändern zu wollen, ist das Ansinnen einer Mutter, die ihren Sohn erziehen will – nicht aber das gesunde Miteinander von gleichwertigen Partnern.

Jeans anfänglicher, verträumter Blick und sein Leben in der Vergangenheit haben Claudines Mutterrolle noch verstärkt, da sie – gefühlsmäßig – immer älter wurde, während er stehen blieb.

Hier musste Jean zuerst ins Hier und Jetzt geführt werden, um zu seiner Rolle als Mann und Partner ganz zu stehen.

Das Beziehungswesen hat zwischendrin immer wieder als Indikator für Nähe und Abstand zwischen dem Paar bzw. das Fließen der Liebe gedient.

Obwohl die Beziehung von außen sehr belastet schien, floss doch eine feine Liebe zwischen den beiden, womit gut gearbeitet werden konnte, wenn man an sie erinnerte.

Dass die beiden sich eine relativ junge Frau für das Beziehungswesen ausgesucht haben, könnte darauf hinweisen, dass die Beziehung noch reifen muss und dass die Beziehung etwas zu weiblich dominiert ist.

Übung für zuhause

Stell dir einmal dein Beziehungswesen mit geschlossenen Augen vor (wenn du gerade keinen Partner hast, die Beziehung zu dir selbst):

  • Wäre es für dich eher männlich oder weiblich?
  • In welchem Alter würdest du es ansiedeln?
  • Würde es näher bei dir oder näher bei deinem/r Partner/in stehen?

Das Beziehungswesen ist eine schöne Metapher dafür, dass zwei Menschen mit ihrer Liebe etwas schaffen, was über sie hinaus geht und etwas ganz Eigenes wird. So eigen, dass man es in einer Aufstellung mit dem nötigen Respekt aufstellen kann.

Ist die Liebe nicht wunderbar?

 

Anmerkung:

Dieser Beitrag ist meinem neuen Buch „Familienstellen und PartnerschaftWirklich frei sein für eine erfüllende Beziehung mit achtsamer Liebe und aufmerksamem Respekt“ entnommen, das in wenigen Tagen erscheint.


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