Ressourcen-Aufstellung: Wie du dir alte und neue Kraftquellen bewusst machst

© contrastwerkstatt - Fotolia.com
© contrastwerkstatt – Fotolia.com

„Immer wieder verliere ich mich in Beziehungen selbst und werde von meinem Partner abhängig!“, klagt Anastasia.

„Wie zeigt sich das?“

„Ich tue alles für ihn und oftmals habe ich das Gefühl, mich und meine Wünsche und Ziele dabei selbst zu verraten …“

„Weißt du, was Ressourcen sind?“

„Rohstoffe wie Erdöl und Gas …?“

„Ja, auch, aber hier beim Familienstellen verstehen wir darunter zuverlässige Quellen, mit denen du dich in schwierigen Situationen in deinem Leben verbinden kannst, um sie gut zu überwinden oder zu lösen. Es gibt innere und äußere Ressourcen. Vielleicht könntest du eine oder mehrere Ressourcen brauchen, um dein Ich zu stärken oder besser zu behaupten. Wollen wir nach deinen ureigenen Ressourcen zusammen suchen?“

Familienstellen und Ressourcen

Ressourcen im Kontext des Familienstellens sind ‚Kraftquellen‘, auf die wir bei Herausforderungen in unserem Leben zurückgreifen, um sie zu meistern. In den meisten Fällen läuft das unbewusst ab. Du kannst dir auch neue Ressourcen aufbauen. Dies wird in einigen Therapieformen praktiziert, z. B. der Psychotherapie.

© mrcats - Fotolia.com
© mrcats – Fotolia.com

Ressourcen können sein:

 

– lebende oder bereits verstorbene Menschen (z. B. deine einfühlsame Großmutter)

Abstraktes wie Glaube, Humor, Vertrauen ins Universum, die Natur etc.

– eine schöne oder nährende Erfahrung wie bspw. ein besonderer Urlaub, von dem du noch heute zehrst oder die Geburt deines Kindes, die dich sehr erfüllt hat

– spirituelle Wesen wie Engel, schamanische Krafttiere, aufgestiegene Meister o. Ä.

Orte (auch nicht lokalisierbare Orte) wie ein Teich, ein Berg, ein Kraftplatz, aber bspw. auch ein spiritueller ‚Metaraum‘

Naturräume und Landschaften: Meer, Wald, Erzgebirge, Toskana …

Zeitqualitäten wie Weihnachtszeit, Frühling, Vollmond etc.

Tiere und Pflanzen: Hunde, Pferde, Kirschbaum, Eiche usw.

körperliche Aktivitäten: Tanz, Yoga, Sport, Musik etc.

Wissen, siehe unten bei Psychoedukation

© shaiith - Fotolia.com
© shaiith – Fotolia.com

Besondere Anforderungen an Ressourcen bei Trauma

Im Zusammenhang mit Trauma möchte ich dir ans Herz legen, zumindest eine Ressource von dir zu ‚entdecken‘ (meist benutzt du sie schon unbewusst), die einige besondere Kriterien erfüllt:

 

– möglichst kein Mensch: Natürlich kann die beste Freundin/der beste Freund eine wunderbare Ressource sein. Ich möchte dir aber bei Trauma Ressourcen ans Herz legen, bei denen du dich nicht auf andere verlassen musst. Menschen sind nicht vollkommen. Wenn ein Mensch als Ressource fungiert, kann ihn das leicht überfordern (auch wenn er schon tot ist).

– die Ressource sollte jederzeit (nämlich dann, wenn das Trauma gerade getriggert wird), sofort, auf der Stelle erreichbar sein, ohne dass du dich bewegen musst (v.a. wegen der Lähmungserscheinung durch starke Angst bei Trauma). Damit fallen Orte (außer der imaginäre Metaraum), Naturräume und Landschaften, Zeitqualitäten, Tiere und Pflanzen und körperliche Aktivitäten weg. Nicht aber die Erfahrung oder Beziehung, die du dazu hast. Wenn du dich bspw. gut mit der Toskana von überall her verbinden kannst, dann kann die Toskana eine sehr gute Ressource für dich sein.

 

Ideal sind damit Abstraktes, Erfahrungen und spirituelle Wesen. Letztere sind natürlich Glaubenssache.

 

Die ausführliche Ressourcenaufstellung von Anastasia

Die Ressourcenaufstellung hat das Ziel, mindestens eine verlässliche Ressource zu finden, mit der dann immer wieder gearbeitet werden kann oder mit der du dich in Krisensituationen schnell verbinden kannst, um handeln zu können.

 

Fall 1: Anastasia

 

Anastasia ist eine ‚Russlanddeutsche‘ aus Usbekistan, die vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen ist. Sie gerät in Beziehungen schnell in ein Abhängigkeitsverhältnis. Bevor wir in einer späteren Aufstellung das Thema direkt anschauen, hat sich Anastasia entschieden, eine Ressourcen-Aufstellung zu machen. Sie möchte zu einer gesunden Ich-Stärke kommen.

In einem längeren Vorgespräch kristallisieren sich vier Ressourcen heraus:

 

R 1: ihr orthodoxer Glaube

R 2: ihre erste Reitstunde

R 3: Musik von Rachmaninow

R 4: die Natur

 

Wir stellen auf. Anastasia wählt für den Glauben und die Musik je einen männlichen Stellvertreter, für die Reitstunde und die Natur je eine Stellvertreterin (ebenso eine Frau für sie selbst).

Anastasia 1

Abbildung 1: Anfangsbild

(A=Anastasia, R 1= orthodoxer Glaube, R 2= erste Reitstunde, R 3= Musik von Rachmaninow, R 4 = Natur)

 

Es fällt auf, dass Anastasia ihre Stellvertreterin an den Rand gestellt hat und die Ressourcen ‚breit gestreut‘ im Raum sind. Ich bitte sie, ganz langsam in die Mitte des Kreises zu gehen und dabei zu berichten, wie sie sich fühlt.

 

L=Aufstellungsleiter, andere Abkürzungen wie oben

 

A: (geht langsam zur Mitte) Ich fühle mich beobachtet, besonders vom Glauben. Irgendwie darf ich nicht im Mittelpunkt sein … Es fühlt sich gut an, auf die Reitstunde zuzulaufen, da wird mir ganz warm ums Herz (sie ist mittlerweile in der Mitte angekommen).

L: Schau mal zum Glauben – wie fühlst du dich, wenn du ihn anschaust?

A: Klein, etwas unwohl …

L (zum Glauben): Was fühlst du gegenüber Anastasia?

R 1: Nichts Besonderes.

L: Anastasia, bist du auch der Meinung, dass der Glaube nicht wirklich eine Ressource ist und wir ihn rausnehmen können?

A: Ja, jetzt sehe ich es auch.

 

Der Glaube (R 1) verlässt die Aufstellung.

Anastasia 2

Abbildung 2: Zwischenbild 1

(A=Anastasia, R 2= erste Reitstunde, R 3= Musik von Rachmaninow, R 4 = Natur)

 

L: Was fühlt die Reitstunde gegenüber Anastasia?

R 2: Gut. Ich freue mich auf sie.

L: Wie geht es dir mit der Reitstunde?

A (lächelt): Sehr gut. Darf ich zu ihr hingehen?

L: Ja, aber bitte gehe langsam zu ihr.

Sie tut es und stellt sich rechts neben die Reitstunde. Kurz darauf greifen sie sich an den Händen.

L: Was fühlst du jetzt?

A: Verbundenheit, Kraft, so etwas wie „ich kann alles erreichen“.

Anastasia 3

Abbildung 3: Zwischenbild 2

(A=Anastasia, R 2= erste Reitstunde, R 3= Musik von Rachmaninow, R 4 = Natur)

 

L: Wie geht es dir mit der Musik gegenüber, Anastasia?

A: Ich finde es schade, dass sie nicht zu mir schaut. Ich möchte gern auch zu ihr.

L (zu R 3): Was ist bei dir? Wie fühlst du dich gegenüber Anastasia?

R 3: Gut, aber ich bin ein bisschen abwesend und schaue in die Ferne.

L (zu R 3): Kannst du sie anschauen?

R 3 (dreht sich zu A): Ja, aber es fällt mir nicht leicht.

L (zur Klientin Anastasia): Hat noch jemand in deiner Familie gern Rachmaninow gehört?

A (Klientin): Ja, mein Vater. Ich habe dabei gern auf seinem Schoß gesessen, wenn er eine Platte anhörte, als ich noch ganz klein war.

L: Grundsätzlich ist das etwas Schönes. Aber als Ressource wollen wir Menschen lieber nicht benutzen. Und die Musik hat mehr den Charakter der Beziehung zu deinem Vater, in der du als Kind natürlich abhängig warst – das passt nicht so ganz zu unserem Aufstellungsziel. Kannst du das auch sehen?

A (Klientin): Ja. Das war mir gar nicht so bewusst, als ich die Musik von Rachmaninow auswählte.

L: Gut, dann nehmen wir sie raus, wenn du einverstanden bist.

A (Klientin): Ja!

R 3 verlässt die Aufstellung und setzt sich hin.

L (zu A Stellvertreterin): Wie geht es dir, wenn du zur Natur schaust?

A: Gut. Sie wirkt sehr ruhig und bedächtig.

L: (zur Natur): Was fühlst du gegenüber Anastasia?

R 4: Offenheit. Sie ist willkommen.

L (zu A Stellvertreterin): Stell dich mal neben die Natur.

Anastasia stellt sich links neben R 4.

L (zu A Stellvertreterin): Wie fühlst du dich?

A: Angekommen. Es geht eine subtile, aber starke Kraft von der Natur aus. Das fühlt sich gut an.

L: Möchtest du dich mal so stellen, dass du die Natur im Rücken hast?

A: Ja, gern.

L: Und?

A: Sehr angenehm.

L (zu R 2): Stell dich mal neben sie.

R 2 steht neben A, dahinter R 4.

L: Bleibt in der Anordnung und geht mal mit, dass Anastasia in der Mitte steht.

Anastasia 4

Abbildung 4: Endbild

(A=Anastasia, R 2= erste Reitstunde, R 4 = Natur)

 

Anastasia kommt selbst hinein und nimmt den Platz ihrer Stellvertreterin ein.

L: Wie geht es dir hier mit deinen beiden Ressourcen?

A: Super! (richtet sich auf) Ich fühle mich, als wäre ich 5 cm gewachsen.

L: Fühl noch einmal ein bisschen rein. Dann beenden wir die Aufstellung.

© Gorilla - Fotolia.com
© Gorilla – Fotolia.com

In dieser Aufstellung haben wir zwei Ressourcen für Anastasia bestätigen können. Beide sind kraftvoll und sie kann sich in Gedanken und mit dem Herzen jederzeit mit ihnen verbinden.

Die anderen beiden Ressourcen entpuppten sich als ungeeignet (Musik) oder sozial erwünscht (Glaube). Manchmal glauben wir, dass etwas eine Ressource ist, weil es als allgemeine ‚Kraftquelle‘ anerkannt ist. Ressourcen sind jedoch höchst individuell und scheren sich nicht darum, was andere dazu meinen. Deshalb ist die Ressourcenüberprüfung in einer Aufstellung auch so wichtig.

 

Den Kontext beachten

Manchmal sind Ressourcen auch sehr kontextabhängig. In einer Missbrauchsaufstellung einer Frau wäre ich immer vorsichtig mit einer Ressource, die durch einen männlichen Stellvertreter verkörpert wird. Sie könnte in diesem Fall nicht passen, aber in einem anderen Fall DIE Ressource sein.

 

Warum Psychoedukation in den meisten Fällen eine Ressource ist

Das aus dem Englischen eingewanderte Wort Psychoedukation bezieht sich darauf, dass wir psychische Reaktionsmuster und Affekte verstehen lernen und an uns selbst beobachten und einordnen können.

Beispiel:

„Aha, eben hat sie bei mir diesen Knopf gedrückt und ich merke, wie ich wütend werde.“

„Er schafft es wirklich mit seinem Gehabe, dass ich ihn mit meinem Vater verwechsle – Moment mal: ist das nicht gerade eine Projektion …?“

„Weil ich sehr früh abgestillt wurde, könnte ich so oral fixiert sein – so eine Art Nachholbedarf …“

usw.

Im Idealfall fügen wir bei dem Muster

  1. Reiz – 2. sofortige (unwillkürliche oder unbewusste) Reaktion

einen Zwischenschritt ein:

  1. Reiz –2. Erkennen des Musters der aufkeimenden unwillkürlichen oder unbewussten Reaktion – 3. bewusste Reaktion

Und dann haben wir die Freiheit aus dem Erwachsenen-Ich eine der Situation und dem Kontext angemessene Reaktion zu zeigen (oder zu verheimlichen, also nicht zu zeigen).

Wenn wir getriggert werden, bei Situationen, die an traumatische Erfahrungen erinnern und im Affekt haben wir selten eine Wahl.

Psychoedukation kann wie ein Training auf lange Sicht eine echte Wahl ermöglichen und ist damit eine Ressource des Erwachsenen-Ich.

 

Abgrenzung Ressourcen-Aufstellung und Ressourcenaufstellung nach Syst ©

In Strukturaufstellungen nach Syst © ist eine Ressourcenaufstellung ein Aufstellungsformat, um bekannte und unbekannte Ressourcen darzustellen. Es geht hierbei mehr um die Klarheit, dass wir alle mehr Ressourcen zur Verfügung haben, als uns gemeinhin bewusst ist. Bei Syst © können Ressourcen auch materielle Güter wie Geld oder Abstraktes wie Teamfähigkeit sein.

 

Weitere Ansätze zu Ressourcen

Besonders erwähnen möchte ich noch das Züricher Ressourcen Modell (hier mehr auf Wikipedia: ZRM ).

Es verbindet mehrere Grundlagen aus Psychotherapie, Coaching und Verhaltenstherapie und – kann weit gefasst – bis in die Psychoanalyse hineinführen. Maja Storch erläutert in ihren Büchern (z.B. hier auf Amazon: Selbstmanagement – ressourcenorientiert) sehr gut die Vorteile dieses Ressourcenansatzes für die persönliche Weiterentwicklung.

© helmutvogler - Fotolia.com
© helmutvogler – Fotolia.com

Fazit:

Über das Thema Ressourcen kann man Regalmeter an Büchern finden und wird immer wieder auf gute Ansätze treffen.

Ein sehr guter und schneller Weg zu persönlichen Ressourcen ist eine eigene Ressourcen-Aufstellung.

Mit den dort gefundenen Ressourcen erleichtert sich das Leben erheblich und schwierige Themen aus der persönlichen Lebensgeschichte können dann angegangen werden.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert