Wann der Abbruch einer Aufstellung sinnvoll ist

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„Weißt du, was dein Großvater während des 2. Weltkrieges getan hat?“

„Ich glaube, er war irgendein Offizier an der Balkanfront“, überlegt Sina.

„Um mit der Aufstellung weiter zu machen, bräuchten wir jetzt mehr Informationen – sonst wird es zu spekulativ.“

„OK … Was bedeutet das?“

„Wir brechen die Aufstellung ab …“

Manchmal kommt es vor, dass der Aufstellungsleiter die Aufstellung abbricht.

Es gibt eine Latte von Gründen, warum es zu einem (vorzeitigen) Abbruch kommen kann.

Da sind zunächst einmal – wie oben im Beispiel – fehlende Informationen ein guter Grund. Natürlich kann man bei einzelnen Dingen mit hypothetischen Sachverhalten arbeiten. Doch wenn es immer spekulativer wird, weil Informationen fehlen, verliert die Aufstellung an Kraft und Wirkung. Eine neue Aufstellung an einem späteren Termin gibt Gelegenheit, Informationen zu sammeln und Wissensträger der Familie zu kontaktieren. Oft hat es sich gezeigt, dass allein mit dem Nachfragen nach Sachverhalten in der Familie einiges in Bewegung geraten ist, was zuvor als erstarrt und undurchsichtig erschien.

Ein weiterer Grund für einen Abbruch kann sein, wenn sich keine Bewegung (mehr) bei den Stellvertretern zeigt und/oder sie unbeteiligt wirken. Hier kann die Lösungsenergie erschöpft sein und es braucht eventuell eine andere Aufstellung mit einer anderen Fragestellung.

Dies führt gleich zum nächsten Punkt: es ist keine Energie in der Aufstellung. Entweder wird gerade nicht das wirkliche Thema, das eigentlich ansteht, bearbeitet (man befindet sich auf einem Nebenkriegsschauplatz). Oder es ist kein Veränderungswille da, sodass die Aufstellung sich tot läuft mangels innerer Beteiligung des Aufstellenden.

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Desinteresse und Unbeteiligt-Sein aufseiten des Aufstellenden ist ein wichtiger Grund für einen Abbruch. Wenn der Klient mit der Konsumhaltung kommt „Löse das mal für mich, schließlich bezahle ich!“ entsteht keine gefühlsmäßige Verbindung und die Aufstellung wirkt nicht. Die Aufstellung kann nur eine Unterstützung zur Erkenntnis und Selbsthilfe sein. Sie ist eine Gefühlsarbeit. Verstandesmäßiges Herangehen bleibt kraft- und wirkungslos (und ist im Endeffekt Geldverschwendung).

Manchmal wird eine Aufstellung abgebrochen, weil Stellvertreter oder Klienten in überstarke, vielleicht überwältigende Gefühle geraten. Um Schaden von ihnen abzuwenden, wird dann die Aufstellung abgebrochen (z. B. starke Traumata, Stellvertreter hat starke Resonanz zum Thema).

Es kann auch sein, dass der Aufstellungsleiter der Meinung ist, dass der Klient nicht mehr nehmen kann und es (mindestens) einer weiteren Aufstellung bedarf (meiner Erfahrung nach der häufigste und gesündeste Grund zum Abbrechen einer Aufstellung).

Ganz selten passiert es, dass die „Spielregeln“ des achtungsvollen Umgangs miteinander in Aufstellungen verletzt werden: grapschen, schlagen, Missachtung der Anweisungen des

Wenn ein Familiengeheimnis wirkt, kommt es immer wieder zu ergebnislosen Aufstellungen oder zu Abbrüchen. Hier wirkt im Untergrund eine unbewusste Loyalität des Klienten, die die Aufstellung sabotiert und auch über das Feld auf den Aufstellungsleiter einwirkt und ihn zu vernebeln versucht. Hier kann man nur immer wieder zusammen mit dem Aufstellungsleiter fragen: „Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, am Familiengeheimnis zu arbeiten?“ Erst wenn man ein klares Ja bekommt, macht es Sinn weiterzugehen.

Manchmal kommt es vor, dass ein Klient über eine Aufstellung auf einen anderen Einfluss nehmen will, i.S.v. andere manipulieren will. Wenn er nach Aufforderung seitens des Aufstellungsleiters dieses Ziel nicht aufgibt, wird der Leiter zum Schutz und Wohle der anderen die Aufstellung abbrechen.

Wenn die Aufstellungsthematik über die Fähigkeiten des Aufstellungsleiter hinausgehen, ist ein Abbruch und ein Verweisen an einen versierten Kollegen nicht nur sinnvoll, sondern auch zielführend. So habe ich am Anfang des Aufstellens bei schwierigen Themen an meine Ausbilder verwiesen und bekomme auch von Kollegen Klienten, die offensichtlich traumatische Erfahrungen gemacht haben, weil ich mich auf Trauma spezialisiert habe. Umgekehrt verweise ich manchmal missbrauchte Frauen an Kolleginnen, weil meine männliche Energie anfänglich die Traumabearbeitung stören kann.

 

Der/die Aufstellungsleiter/in wird nie leichtfertig eine Aufstellung abbrechen. Er/sie hat immer das Wohl und die Interessen des/der Aufstellenden als auch der Gruppe (ihn/sie eingeschlossen) im Blick.

Oft hat es sich gezeigt, dass es nach einem Abbruch zuhause beim Klienten wichtige Entwicklungen gab, die dann zu großen Fortschritten in einer erneuten Aufstellung geführt haben.

So auch bei Sina. Durch eine Tante erfuhr sie, dass ihr Großvater serbische Partisanen gejagt hat und dabei auch das eine oder andere unschuldige Dorf niederbrannte, wenn niemand reden wollte.

Mit diesen Informationen konnten wir dann wieder gezielt in einer weiteren Aufstellung zu heilenden und versöhnenden Lösungen kommen.


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