Wie ein Kaiserschnitt dein Leben prägen kann

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„Immer wenn es hart auf hart kommt, gebe ich auf. Ich kann mich bei Problemen einfach nicht durchbeißen!“, klagt Renate.

„War das schon immer so oder gab es ein Ereignis in deinem Leben, seitdem es so ist?“

„Schon immer: ich habe erst mit zwei Jahren Laufen gelernt, sprechen dauerte auch lange – also es fällt mir so vieles wirklich schwer. Andere können das gar nicht nachvollziehen.“

„Weißt du etwas über deine Geburt?“

„Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie wegen ihres Alters – sie war 37 Jahre – einem Kaiserschnitt zustimmen musste …“

Kaiserschnitt auf dem Vormarsch

Der Kaiserschnitt bei der Geburt hat nicht unbegründet den Ruf einer unnötigen Liftstyle-Operation. Nach inoffiziellen Schätzungen beträgt die tatsächliche medizinische Notwendigkeit eines Kaiserschnitts bezogen auf alle Geburten weniger als 5%. Dass in Deutschland mehr als 30% und in den USA weit mehr als 40% aller Geburten mit Kaiserschnitt durchgeführt werden, muss also andere Gründe haben. Vermutet werden:

– Risikominimierung wegen vermuteter Risikofaktoren bei der werdenden Mutter (Alter, Vorerkrankungen, unregelmäßige oder unplanmäßig verlaufende Schwangerschaft etc.)

Bequemlichkeit bei Ärzten und Krankenhaus (Geburt mit Kaiserschnitt als geplante Abarbeitung mit genauer Terminierung, keine Sonn- und Feiertagsgeburten usw.)

– Bequemlichkeit bzw. Lifestyle-Gründe aufseiten der werdenden Mütter (möglichst Vollnarkose und keine oder kurze Wehen, “Save the love-channel“ – Befürchtung der Beeinträchtigung des Sexuallebens nach der natürlichen Geburt („ausgeleiert sein“), blindes Vertrauen in die Beratung durch die Ärzte)

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Kostengründe: ein Arzt bzw. das Krankenhaus verdient mehr am Kaiserschnitt als an einer natürlichen Geburt – auch bezogen auf die Zeitdauer von 1. Wehe bis zur tatsächlichen Geburt (ca. Faktor 3:1 mehr Geld von den Krankenkassen)

Haftungsgründe: v.a. in den USA wird die natürliche Geburt von vielen Krankenversicherern als besonders risikobehaftet eingestuft und Ärzte brauchen eine teuere Zusatzversicherung gegen Schadensersatzansprüche; leider setzt sich diese Sichtweise auch in Europa zunehmend durch

Zur Vertiefung hier einige Artikel aus dem Internet:

http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/geburt-zahl-der-kaiserschnitte-geht-erstmals-zurueck-a-929496.html (veraltet, aber mit guten Zusatzinformationen)

http://www.welt.de/gesundheit/article123432872/Wo-die-Spontangeburt-zur-exotischen-Ausnahme-wird.html

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/71897/umfrage/entbindungen-und-entbindungen-per-kaiserschnitt-in-deutschland/

Kaiserschnittgeburten im Familienstellen

Wegen der symbiotischen Verbundenheit von Mutter und Kind im Mutterleib ist der Kaiserschnitt fast immer eine traumatische Erfahrung für das Kind und oft auch für die Mutter.

Wie stark das Kind allein durch den Kaiserschnitt traumatisiert ist, lässt sich allerdings schwer feststellen, weil meist noch weitere traumatische Erfahrungen nach dem erfolgten Kaiserschnitt warten können:

Trennung von der Mutter (Stichwort unterbrochene Hinbewegung)

– frühkindliche Sofortuntersuchungen oder –maßnahmen nach der Geburt (Impfungen, Blutabnahme, „Klaps zum Atmen“, manchmal brennende Augentropfen, zu frühes Waschen etc.)

Wer sich ausführlicher mit diesen Themen auseinandersetzen will, empfehle ich das Buch „Auf die Welt gekommen – Die neuen Baby-Therapien“ herausgegeben von Thomas Harms (hier auf Amazon: KLICK! (Affiliate-Link)).

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Im Familienstellen wurde durch Beobachtung festgestellt, dass Menschen, die mit Kaiserschnittgeburt zur Welt kamen, in ihrem Leben Probleme mit Ausdauer und Beständigkeit haben und sich bei vielen eine niedrige Frustrationstoleranz zeigt, wenn erste Schwierigkeiten bei einer Sache auftreten.

Das kann sich in (mehrfach) abgebrochenen (Schul)Ausbildungen zeigen, aber sich auch in anderen Bereichen des Lebens störend bemerkbar machen:

– keine langfristigen Beziehungen eingehen können

– keine Karriere aufbauen können

– kein Training durchhalten oder z. B. Musikinstrument lernen können, obwohl ein sehnlicher Wunsch danach besteht

usw.

Renates Aufstellung

Nachdem wir andere Hintergründe ausgeschlossen hatten, machten wir eine Art Pesso-Arbeit (nach Albert Pesso, hier auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Pesso-Therapie )

Ich bat Frauen aus der Gruppe, einen Geburtskanal nachzubilden. Sie alle nahmen Kissen zur Hilfe, um es für Renate, die selbst in der Aufstellung war, möglichst eng zu machen. Sie hatte zuvor allen Schmuck und anderes abgelegt, was sie bei engem Körperkontakt verletzen könnte (diese Arbeit ist nicht geeignet für Menschen, die Körperkontakt scheuen, obwohl mit Kissen dazwischen gearbeitet wird!).

Zu Anfang stellten wir wie folgt auf:

Renate 1

Abbildung 1: Anfangsbild

R=Renate (Klientin), M=Mutter, V=Vater, F=Frauen mit Kissen, die einen engen Geburtskanal bilden

In dieser Art Aufstellung wird wenig bis gar nicht geredet. Hier kommt es vor allem auf die Körpererfahrung an, die wegen des Kaiserschnitts NICHT gemacht wurde und hier in der Aufstellung nachgeholt wird.

Wir einigten uns vorher darauf, dass der Geburtsprozess symbolisch eine Viertelstunde gehen sollte.

Am „Ausgang“ erwarten Renate liebevolle, ideale Eltern. Ideale Eltern deshalb, damit diese neu kreierte Erfahrung möglichst positiv, die negative Erfahrung der Kaiserschnittgeburt überschreibt.

In der ersten Phase drückte die Frau hinter Renate sehr stark über das Kissen auf ihren Rücken, während die Frauen neben und vor ihr wehenartig immer wieder stark – nachlassend – stark mit Kissen auch andere Körperregionen quetschten. Nur der Weg nach vorne war mit wenig Druck offen.

Renate 2

Abbildung 2: Zwischenbild

In der zweiten Phase wird es jetzt ganz eng und hier ist auch der Punkt, an dem meist Aufgabetendenzen erscheinen.

Jetzt rufen Mutter und Vater liebevoll, aber bestimmt Renate, damit sie weiter macht. Manchmal wird eine der druckausübenden Frauen auch zu einer Ressource gewählt, die dem Klienten hier zusätzliche Unterstützung bietet.

Die Hauptarbeit muss aber vom Klienten selbst kommen.

In Phase 3 schließlich, nach ungefähr 15 Minuten, erreicht Renate ihre Eltern und bleibt einfach bei ihrer Mutter liegen, während der Vater liebevoll ein Körperteil hält, wo es sich für sie gut anfühlt – manchmal ist er nur einfach voll präsent.

Renate 3

Abbildung 3: Endbild

Die Frauen können sich dann setzen.

Die Zeit bei den Eltern sollte mindestens nochmals 15 Minuten dauern, um diese Erfahrung ganz in sich aufzunehmen.

Renate kommt ganz verschwitzt und mit zerzausten Haaren bei ihren Eltern an und kuschelt sich erschöpft, aber glücklich in den Schoß ihrer Mutter.

Ihr Vater hält ihre rechte Hand und streichelt sie ausdauernd vorsichtig.

Nach geraumer Zeit breitet sich eine friedliche Atmosphäre im Raum aus.

Einige Frauen weinen vor Rührung, alle sind tief bewegt.

Wir beenden nach einiger Zeit die Aufstellung und Renate setzt sich wieder auf ihren Platz.

Aber das ist doch nicht real …?

Ja, es war so nicht, das stimmt. Aber die körperliche Erfahrung, die Renate jetzt gemacht hat, war (symbolisch) echt.

Damit wird die alte Erfahrung „überschrieben“ und als neue Erfahrung etabliert.

Als Erinnerungsanker dient das körperliche Empfinden während des simulierten Geburtsprozesses (angelehnt an die Arbeit von Albert Pesso).

Renate konnte schon bald nach der Aufstellung eine Ausbildung abschließen, bei der sie kurz davor war, sie wieder hinzuschmeißen.

Natürlich war ihre Frustrationstoleranz immer noch niedriger als bei vielen anderen Menschen, aber mit der Zeit lernte sie Schritt für Schritt Ziele anzugehen und auch zu erreichen.

Heute arbeitet sie als Therapeutin für Jugendliche in der Schweiz und schöpft aus der Pesso-Therapie und dem Familienstellen für ihre alltägliche Arbeit.

 

Fazit:

Die Pesso-Therapie ist ein gutes Werkzeug im Kontext des Familienstellens.

Auch „virtuelle“ Überschreibungen tun ihre Wirkung, wenn sie über den Körper verankert werden können.

Die Ausbreitung von Kaiserschnittgeburten birgt die Gefahr, dass eine Generation von Menschen mit niedriger Frustrationstoleranz und wenig Ausdauer heranwächst.

Ständig frustriert zu sein, ist ein gefährlicher Nährboden für Alkohol, Drogen und Suizid.

Die Probleme und Herausforderungen von heute brauchen aber eigentlich motivierte, ausdauernde Menschen, die sich von Rückschlägen wenig beeindrucken lassen und nach neuen Lösungen suchen, so unmöglich sie auch erscheinen mögen.

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