Wenn Triangulierung und Parentifizierung gleichzeitig auftreten

© Gina Sanders - Fotolia.com
© Gina Sanders – Fotolia.com

„Ich bin immer so erschöpft. Am Burn-out schramme ich jeden Tag nur knapp vorbei …“

„War das schon immer so oder ist das an einem bestimmten Zeitpunkt aufgetreten?“

„Mmmh … das war schon immer so.“

„Wie ist denn das Verhältnis zu deinen Eltern?“

„Gut. Besonders mit meinem Vater. Meiner Mutter bin ich eine große Stütze, was sie sehr zu schätzen weiß.“

„Aha … schauen wir uns das mal näher an …“

Triangulierung

Mit Triangulierung wird beim Familienstellen das Phänomen bezeichnet, dass ein Kind (meist) mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil auf eine ungute Weise verstrickt ist. Es wird vom Kindstatus zu einem quasi-erwachsenen Partnerersatz versetzt. Eine häufige Ursache ist, dass der tatsächliche Partner durch eine Verstrickung, ein Trauma oder beides nicht wirklich „in“ der Partnerschaft ist. Somit entsteht eine „Leerstelle“, die dann vom Kind – zumeist das älteste – ausgefüllt wird.

Als Konsequenz kommt aus einerseits zu einer Rivalität mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (Tochter denkt gegenüber Mutter: „Ich bin die bessere Frau für Papa!“), andererseits kommt es zu einer permanenten Überforderung, weil sich das Kind in einem Erwachsenenkontext bewegen muss, ohne genug Zeit zum Heranreifen gehabt zu haben.

Als gefährlicher Nebeneffekt kann es auch zu Missbrauch kommen, wenn die gefühlte Wahrheit tatsächlich ausgelebt wird.

Darüber hinaus fehlt dem Kind in seiner Entwicklung durch die Rivalität die Kraft des gleichgeschlechtlichen Elternteils und es steht somit nur halb im Leben.

Parentifizierung

Während bei der Triangulierung das Kind auf die gleich Stufe mit den Eltern gehoben wird, gelangt es durch die Parentifizierung noch eine Stufe weiter auf die Ebene der Großeltern. Es bemuttert/bevatert ein oder beide Elternteile.

Auch diese Verstrickung wird dadurch ausgelöst, dass die Eltern selbst verstrickt oder traumatisiert sind und dadurch bedürftig werden.

Die Überforderung für das Kind ist immens, doch in seiner Liebe zu den Eltern kann es nicht anders, als dem bedürftigen Elternteil alles Erdenkliche abzunehmen.

Die unheilige Allianz von Parentifizierung und Triangulierung

In seltenen, aber schwerwiegenden Fällen kann es dazu kommen, dass ein Kind sowohl mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil trianguliert und mit dem gleichgeschlechtlichen parentifiziert ist.

© majivecka - Fotolia.com
© majivecka – Fotolia.com

Statt der Rolle des Rivalen hat beispielsweise Thomas die Rolle des Vaters für seinen Vater, der sehr bedürftig ist. Gleichzeitig ist er für seine Mutter der Ersatzpartner, die ihren bedürftigen Mann unsexy findet.

Diese doppelte Verstrickung kann meiner Erfahrung nach erst dann aufgelöst werden, wenn der/die Betroffene einen großen Leidensdruck hat und für Veränderungen wirklich bereit ist.

Denn so schwierig sich diese Rolle der doppelten Verstrickung anhört, es gibt auch einen durchaus passablen Nutzen für den/die Betroffene/n.

Einerseits wird er/sie dauernd gebraucht, was dem Leben bisher einen starken Sinn gegeben hat, andererseits ist da die Anerkennung und Hofierung durch das gegengeschlechtliche Elternteil.

Wenn das beides wegfällt, ergibt sich erst einmal eine große Leere im Leben – es war ja für anderes bisher weder Raum noch Zeit!

Elisabeths Aufstellung

Wir stellen Elisabeth und ihre Eltern mit Stellvertretern auf:

Elisabeth 1

Abbildung 1: Anfangsbild

V=Vater, M=Mutter, E=Elisabeth

Elisabeth steht in der Partnerposition zu ihrem Vater. Vor ihr, nach rechts versetzt, steht ihre Mutter, die ins Leere blickt. Gegenüber der Mutter hat Elisabeth die Position wie die Großmutter, also die Mutter der Mutter.

Elisabeths Position zeigt fast schulbuchhaft die Merkmale von Triangulierung und Parentifizierung.

Nachdem ich Elisabeth selbst in die Aufstellung hereingenommen habe und sie dazu brachte, ihre Überforderung in dieser Position zu fühlen, war sie für Veränderungen bereit.

Der Schlüssel für beide Verstrickungen liegt bei der Mutter. Erst wenn die Mutter ihren Platz als Partnerin ihres Mannes einnimmt, kann Elisabeth aus der Triangulierung heraus. Und zweitens müssen wir die Mutter so stärken, dass sie nicht mehr bedürftig ist, damit Elisabeth aus der Parentifizierung herauskommt.

Zuerst schaffen wir eine Begegnung zwischen Mutter und Vater, wobei zur Unterstützung der Mutter, sie ihre weiblichen Ahnen im Rücken hat.

Natürlich könnte man auch den Hintergrund der Bedürftigkeit bei der Mutter aufzulösen versuchen, aber Elisabeth und nicht die Mutter ist zur Aufstellung gekommen, weshalb das ein Eingriff in das Schicksal der Mutter wäre.

Elisabeth 2

Abbildung 2: Zwischenbild 1

V=Vater, M=Mutter, E=Elisabeth, F=Ahnin

Mit den Ahninnen im Rücken scheint die Mutter wie aufzuwachen und größer zu werden. Erst jetzt kann sie ihrem Mann als Frau und Partnerin begegnen.

Auch für den Vater ist es eine neue Erfahrung, seine Frau so zu sehen.

Zusammen können sie sich jetzt Elisabeth zuwenden – als Paar und Eltern.

Dies ist auch für Elisabeth eine neue und unbekannte Erfahrung, die sie zu Tränen rührt.

Elisabeth 3

Abbildung 3: Zwischenbild 2, Abkürzungen wie oben

Um jetzt auch die Verstrickung durch die Triangulierung ganz aufzulösen, stellen wir Elisabeth schließlich in den Bannkreis der Mutter.

Das ist wichtig, damit Elisabeth die unterschwellige Rivalität, die von der Bedürftigkeit der Mutter überdeckt wurde, ganz überwinden kann.

Jetzt kann sie auch von der Mutter nehmen – das Weibliche, das Mütterliche und alles, was es braucht, um als Frau ganz zu sein.

Jetzt kann es fließen.

Elisabeth 4

Abbildung 4: Schlussbild

Elisabeth steht längere Zeit fühlend ganz eng bei ihrer Mutter.

Das ist wichtig und sehr heilsam.

Schließlich beenden wir die Aufstellung.

Nachbetrachtung

© Robert Kneschke - Fotolia.com
© Robert Kneschke – Fotolia.com

Trotz des guten Verhältnisses zu ihren Eltern stimmte bei Elisabeth und ihren Eltern die familiäre Ordnung grundlegend nicht.

Elisabeth lebte in sehr ungesunden Verhältnissen, die sie permanent überforderten. Interessant das etwas, was sich gut anfühlt (das gute Verhältnis zu ihren Eltern) extrem ungesund für Elisabeths Psyche ist.

Ein gutes Beispiel, das zeigt, dass der Spruch „Wenn es sich gut anfühlt, dann ist alles gut!“ überhaupt nicht stimmt.

Für Elisabeth beginnt jetzt eine neue Zeit, in der sie ihr Leben von Grund auf neu aufbauen muss.

Aber auch erst jetzt kann sie ihren ureigenen Bedürfnissen nachspüren und herausfinden, was sie wirklich will und was für Erfahrungen sie machen möchte.

Zuvor war alles zugeschüttet und überlagert mit den Bedürfnissen ihrer Eltern.

Das ist keine leichte Phase und ich hoffe, dass sie sich in ein paar Einzelsitzungen Begleitung für diesen Weg – z. B. mittwochs bei mir – sucht.

Alles erdenklich Gute!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert