„Manchmal kommen mir vor Schmerz die Tränen und ich bete innerlich, dass die Schmerztablette endlich anfängt zu wirken …“
„Haben die Rückenschmerzen zu einem bestimmten Zeitpunkt angefangen oder waren sie schon immer da?“
„Also, als Kind weiß ich nicht mehr, aber meine Mutter hat mir erzählt, dass ich schlimme Wachstumsschmerzen gehabt haben muss. Ich kann mich an eine Zeit ohne Schmerzen nicht erinnern.“
„Gut, wir schauen uns das genauer an …“
„Ich habe letzte Woche erst Stress mit meinem Chef gehabt und dann zuhause mit meiner Freundin. Dann kriege ich noch eine gemeine Abbuchung von der Versicherung. Alles hat sich gerade gegen mich verschworen …“, klagt Harald.
„Sieht so aus, als hältst du dich gerade in einigen Dramadreiecken auf, oder?“
„Was ist denn ein Dramadreieck …?“
„Ich habe immer das Gefühl, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich keine Kinder habe. Nicht nur bei meiner Mutter, sondern auch bei Kollegen und Freunden …“
„Was ist das für ein Gefühl genau – kannst du es näher beschreiben?“
„Naja … es ist vielleicht so wie nicht dazuzugehören oder … wie als Teenager noch keinen Freund gehabt zu haben …“
„Bist du zu einem kleinen Experiment bereit …?“
Es ist der vierte Tag einer einwöchigen Familienaufstellungsbegegnung zur polnisch-deutsch-jüdischen Versöhnung in Wroclaw (Breslau) in Polen.
Die zweite Aufstellung hat es in sich.
Im Bauch der hochschwangeren Übersetzerin geht im wahrsten Sinne des Wortes der Punk ab – sie muss den Raum verlassen.
Neben mir sitzt zufällig eine andere Schwangere, bei der der Embryo heftig strampelt. Schnell begleite ich sie hinaus und wir reißen ein Fenster auf, damit sie frische Luft bekommt …
Was war hier los?
„War irgendetwas während deiner Kindheit, wobei du von deiner Mutter getrennt warst, Ivanka?“
„Nein.“
„Krankenhausaufenthalte, irgendeine Trennung, als du ganz klein warst?“
„Nein, gar nichts. Meine Mutter hat mir nur erzählt, dass sie mich nicht stillen konnte, weil ich es irgendwie nicht annehmen konnte. Da bekam ich das Fläschchen.“
„Bist du in einem traditionellen Krankenhaus in der Ukraine geboren?“
„Ja.“
„Deine Probleme könnten mit den ersten Minuten nach deiner Geburt zusammenhängen …“
„Wieso?“
„Deine Symptome weisen auf einen besondern Fall der unterbrochenen Hinbewegung zu deiner Mutter hin.“